13.04.2020 / Erfahrungsberichte

Mit dem Pferd in den Wellen vor Lima

Die wohl schönste Erfahrung hatte ich an einem meiner letzten Tage. Wir gingen gemeinsam mit einem 30-jährigen Patienten, der vor einiger Zeit eine starke Hirnblutung erlitten hatte und somit stark physisch und kognitiv eingeschränkt ist, und seinem Lieblingspferd TicTac an den Strand. Also eine Abwechslung zum Standardprogramm am Reitplatz. Er war so glücklich, lachte, machte Scherze, freute sich, wenn er uns ärgern konnte und bat uns, Musik zu machen und dazu neben dem Pferd zu tanzen.

Valentinas Zeit in Peru

Valentina war 9 Wochen in Lima und hat in der Therapie mit Pferden gearbeitet. Im Interview berichtet sie von der chaotischen Stadt, manchen Zweifeln und einem überglücklichen Moment.

April 2019

ManTapu: Du hast die Therapieeinrichtung mit Pferden in Lima unterstützt. Bevor wir später über das Projekt sprechen: Wie ging dein Aufenthalt los?

Valentina: Ich startete mein zweimonatiges Projekt Mitte Jänner – das heißt im Sommer –in Lima. In meiner ersten Woche war ich bei der Familie meiner Sprachlehrerin untergebracht, um mein Schulspanisch wieder aufzufrischen und die Stadt kennenzulernen. Sie war unfassbar bemüht und zeigte mir wirklich alles, was ich wissen musste, passte die täglichen "Theorieeinheiten" an mein Level an und forderte mich "draußen" im echten Leben immer wieder zu Konversationen mit anderen heraus. Wodurch schnell wieder viel da war, nach 3 Jahren Spanisch-Pause.

Lima hat viel zu bieten: In-Viertel, Kolonialbauten und natürlich Chaos

ManTapu: Das war sicherlich ein guter Einstieg Lima. Wie hat dir die Stadt sonst gefallen? Sie ist ja durchaus sehr chaotisch.

Valentina: Lima war anfangs natürlich überfordernd, das steht außer Frage. Wenn man vergleicht: Österreich mit gesamt 8 Mio. Einwohnern, Lima als Stadt mit 10 Mio. Einwohnern. Da muss man sich schon dran gewöhnen. Und an den Verkehr. Und das öffentliche Bussystem. Und so viele weitere Dinge. Aber nach spätestens 3 Wochen hatte ich alles drinnen. Lima ist mir richtig ans Herz gewachsen, mit seinem Lärm und Dreck. Man schätzt die schönen Seiten auf einmal so viel mehr.

ManTapu: Das Projekt ist ja aber nicht direkt in Lima?

Valentina: Ja, der Stall war weit außerhalb gelegen (etwa eine Stunde mit dem Bus ins Zentrum), direkt am Meer, so dass man auch gut Ruhe von der Stadt bekommt. Ich konnte mich aber in meiner Freizeit trotzdem sehr leicht mit Öffis durch Lima bewegen und die Unabhängigkeit genießen. Und in Notfällen nimmt man sich einfach für ein paar Soles ein Taxi. Aktivitätsangebote hat Lima genügend. Die Stadtteile Miraflores und Barranco sind allseits beliebt, es gibt aber auch z.B. viele Märkte auf die man gehen kann und das Stadtzentrum mit vielen Kolonialbauten und Sightseeing-Möglichkeiten. Oft war ich aber auch von der Arbeit einfach so müde, dass ich den Montag zum ausschlafen nutzte.

ManTapu: Das kann ich mir vorstellen. Wann hast du immer gearbeitet?

Valentina: Meine Arbeitszeiten waren von Dienstag bis Freitag von 8.00 bis 18.00 (wobei dann meistens bis 19.00 aufgrund der Planung für den nächsten Tag) und Samstag und Sonntag von 8.00 bis 12.00.

ManTapu: Du hast auch bei der Projektleiterin gewohnt. Wie war das so?

Valentina: Ich wohnte mit der Leiterin des Projekts und ihrer Tochter (etwas älter als ich) zusammen. Da die beiden aus Deutschland stammen, war die Kommunikation kein Problem. Und auch ansonsten war das Zusammenleben sehr leicht. Ich hatte mein eigenes Zimmer mit Bad, durfte die Küche nach Belieben benützen (auch Freunde einladen), wurde bei gelegentlichen Popcorn-Abenden ebenfalls mit einberechnet und fuhr täglich mit ihr gemeinsam zur Arbeit und zurück. Außerdem war ihr Haus etwa 5 Minuten zu Fuß vom Strand entfernt. Ein sehr nettes Feature. Zum nächsten Bus ging ich etwa 20 Minuten. (Hinweis: Rainbow Garden Village arbeitet in Lima mit zwei Pferdestellen und mehreren Gastfamilien. Je nach Gastfamilie und Einrichtung können die Wegzeiten und das Alltagsleben also abweichen.)

Kinder können bei Reitstunden das Spanisch ganz schön herausfordern

ManTapu: Was genau hast du in dem Projekt gemacht?

Valentina: Ich arbeitete in einem Reitschul/-Therapiestall-Mix. Als ausgebildete Ergotherapeutin war es nach meinem Studium natürlich mein Wunsch viel bei Therapien dabei zu sein bzw. auch viel übernehmen zu können. Leider ist der Sommer die Low-Season, da diverse Behinderteneinrichtungen, welche normalerweise von dem Stall profitieren und die Vormittage mit Therapieprogramm füllen, hier aufgrund der Hitze Pause machen. Deshalb gab es so in etwa 2 Therapieeinheiten pro Tag, bzw. an den Wochenenden auch mehrere, bei denen ich mithalf. Ansonsten war eine meiner Hauptaufgaben Reitstunden zu geben, was mich am Anfang etwas skeptisch machte, mir im Endeffekt aber auch sehr gut gefiel und vor allem für mein Spanisch sehr förderlich war. Kinder sind da erbarmungslos. Neben Reitstunden und Therapien half ich im Stall, wenn sonst nichts zu tun war, natürlich auch bei Dingen wie Pferde putzen, waschen und satteln und nahm dadurch so manch hart arbeitenden Stallburschen etwas Arbeit ab. Und eine der schönsten "Arbeiten" war natürlich das Pferde bewegen bzw. Korrekturreiten. Meistens hieß das entspannte Ausritte am Strand.

ManTapu: Trägt das Projekt aus deiner Sicht in einer sinnvollen Art und Weise zur Etablierung von nachhaltigen Strukturen vor Ort bei?

Valentina: Leider kann ich das nicht bestätigen. Reitsport ist teuer, genauso wie durch Pferde gestützte Therapie. Die "Kunden", mit welchen ich zu tun hatte, waren demnach nicht bedürftig, ebensowenig die Besitzer des Stalls. Wie die Situation mit den Behinderteneinrichtungen aussieht, weiß ich leider nicht, da ich hier nur einmal am Ende des Projekts, am Ende des Sommers, mithelfen konnte. Ich betreute aber zwischen bezahlten Therapien auch einen 4-jährigen mit ICP-Diagnose, der Sohn einer Stallarbeiterin, aus ärmeren Verhältnissen, gratis.

ManTapu: Danke für die Offenheit. Hattest du dafür das Gefühl, dass dein Einsatz im Projekt nützlich war?

Valentina: Ich denke dass es bei solchen Einrichtungen immer nützlich ist, "fremde" Personen aufzunehmen, vor allem auch aus so einem anderen Kulturkreis. Ich bin mir sicher, dass ich mich mit meinen Ideen gut einbringen konnte oder in manchen Bereichen zumindest zum Denken anregen konnte. "Nutzlos" bin ich mir nie vorgekommen, es gab fast immer etwas zu tun.

ManTapu: Gibt es eine Erfahrung, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Valentina: Die wohl schönste Erfahrung hatte ich an einem meiner letzten Tage. Wir gingen gemeinsam mit einem 30-jährigen Patienten, der vor einiger Zeit eine starke Hirnblutung erlitten hatte und somit stark physisch und kognitiv eingeschränkt ist, und seinem Lieblingspferd TicTac an den Strand. Also eine Abwechslung zum Standardprogramm am Reitplatz. Er war so glücklich, lachte, machte Scherze, freute sich, wenn er uns ärgern konnte und bat uns, Musik zu machen und dazu neben dem Pferd zu tanzen. Trotz Gummistiefel wurden meine Füße komplett nass, weil die Wellen so stark waren. Und jedes Mal, wenn wieder eine Welle kam und wir chancenlos versuchten auszuweichen, klatschte unser Patient in die Hände, schlug den Kopf zurück und lachte, dass ich gar nicht anders konnte, als den ganzen restlichen Tag überglücklich zu sein.

Portrait Valentina
Autor
Valentina

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