01.08.2020 / Erfahrungsberichte

Unterrichten als Volunteer in Tansania Erfahrungsbericht

Die Kids haben uns gar nicht mehr gehen lassen wollen. Obwohl man die Armut spürt und an zerrissenen Schuluniformen oder kaputten Schuhen sieht, strahlen die Kinder eine besondere Wärme aus. 

Simones Zeit in Tansania

Ein bisschen Hakuna Matata

Ein "Mambo?" genügt und die Sonne geht auf. Wenn ich eines besonders gelernt habe während meiner viel zu kurzen, 5-wöchigen Freiwilligenarbeit in Tansania in  Morogoro, dann ist es, dass es zum Glücklichsein wohl nicht viel braucht. Ein bisschen Hakuna Matata steckt schließlich in jedem von uns, es muss nur geweckt werden.

Gereist bin ich zusammen mit 3 Freundinnen aus Deutschland. Wir alle werden bald Lehrer sein und da schadet uns ein bisschen Lebensrealität in Form von sozialer Arbeit in einem Entwicklungsland wohl kaum, haben wir uns gedacht. Ab in die weite Welt nach einem stressigen Examen! Nach einer Woche im Hostel des Mzimbazi Center, in der wir Aidanus, der wirklich eine Menge für uns Volunteers leistet, lieb gewonnen haben, fielen schon die ersten Stressmonster von uns ab, obwohl die Stadt Dar Es Salaam wohl eher Hektik erzeugen müsste.

Großstadt Dar es Salaam

Von etwa. 5 Mio. Einwohnern sieht man gefühlt 4,9 Mio täglich, die nur so durch die Straßen wuseln. Stau ist sowieso grundsätzlich immer; das nutzen dann die zahlreichen Straßenverkäufer, um wichtige Dinge wie kleine Feuerlöscher, Duftbäume oder Geschirrtücher an den offenen Fensterscheiben anzupreisen. Beim Geldwechseln werden die Bündel (die kleinste 10.000er Note – umgerechnet etwa 5€ – erzeugt beim Geld abheben zwangsläufig IMMER Bündel…) sogar von den Einheimischen schnell in die Socken gestopft – und ab geht’s ins Getümmel!

Überfahrt zum Standort Morogoro

Die Überfahrt nach Morogoro – 180km ins Landesinnere – war an sich schon ein eigenes Abenteuer. Ich sitze in einer 3er Bank – mein übernächster Banknachbar ist ein Massai; leicht zu erkennen an seinem traditionellen Gewand und der Waffe, die er bei sich trägt. Er mustert mich von oben bis unten und ist wohl ziemlich neugierig. Als unser gemeinsamer Sitzkollege in der Mitte sein modernes Handy auspackt und einen godzillaähnlichen Kurzfilm in miserabler Qualität verfolgt, ist der Massaikrieger gefesselt und starrt auf das Display als hätte er so etwas noch nie gesehen. Dennoch muss man dazusagen: Tanzania ist stärker entwickelt als ich gedacht habe, zumal fast jeder hier mehr als 2 Handys besitzt – schließlich muss man die unterschiedlichen Tarife der Telefonanbieter auch gekonnt ausnutzen….

Angekommen in Morogoro war ich beeindruckt von den Ulugurus – der Gebirgskette rund um unsere Unterkunft. Gleich zwei Wanderungen haben wir dort gestartet. Einfach traumhaft. Unendlich weite Sicht, kleine bewohnte Hütten, unzählige Bananen- und Maisplantagen, Avocadobäume, Papaya, Palmen, Palmen, Palmen – soweit das Auge reicht!

Sogar Wasserfälle 
haben wir besucht
 und dort Rast
 gemacht, um zu kochen. Traditionell kam Ugali – Maismehlbrei – auf den Tisch, oder besser gesagt das Bananenblatt und rein ging es – immer schön mit den Fingern einen Breiball kneten und eine Mulde mit dem Daumen drücken, damit man dann die leckere Gemüsesoße tunken kann.

Die Unterkunft ist gigantisch

Eine richtige Lodge: Dort fühlen wir uns wie im Urlaub! Auch wenn wir einige Tage nicht duschen konnten (Warum kommt da einfach kein Wasser aus dem Hahn?!), ist es tatsächlich überüberdurchschnittlicher Standard und schließlich haben wir auch gecheckt, dass es einfach feste Wasserzeiten gibt: Also immer brav den großen Eimer füllen und los geht die Schöpfdusche, hakuna shida! Ich jedenfalls habe jetzt gelernt, dass fließendes Wasser keine Selbstverständlichkeit ist.

War es anfangs noch etwas schwer zu verstehen, dass die Uhren sich langsamer drehen und die Stunde keine 60 Minuten, sondern vielmehr 200 hat, störte mich das nach ein paar Tagen gar nicht mehr. Auf den bestellten Taxifahrer, der behauptet er braucht nur 15 Minuten bis er da ist, haben wir geschlagene 2,5 Stunden gewartet. Hätte mich das in Deutschland auf die Palme gebracht, fand ich das in Tanzania gar nicht schlimm – man muss eben nur wissen wie man die Zeit nutzt, um einfach mal zu entspannen. Chillmodus auf Autopilot stellen!

Unterrichten an der Grundschule in Tansania

Mein Freiwilligenprojekt als Volunteer war eine Primary School um die Ecke. In Tanzania geht die Grundschule von der 1. Klasse bis zur 7. Klasse, wobei meistens auch ein Kindergarten integriert ist. Aber Achtung – hier sitzen die 4-Jährigen schon diszipliniert in ihrer Bank und lernen das ABC, sowie Rechnen. Von Spielen spürt man eher weniger, auch wenn meine Schule als englischsprachige Privatschule doch noch relativ viel Geborgenheit für die dortigen Verhältnisse ausdrücken konnte.

Das Schulgeld – etwa 230€ pro Schuljahr – kann dennoch von den wenigsten mit Leichtigkeit aufgebracht werden. So sind jetzt im Juli großteils noch Zahlungen von März quittiert worden und ohnehin werden viele Kinder von amerikanischen Partnern gesponsert. Bereits am ersten Tag wurden wir vom Headteacher herzlich empfangen – es wurde Großes von uns erwartet, denn in Tanzania haben einige bereits verstanden, dass Bildung das primäre Mittel ist, was das Land weiterbringen kann. Wir Mzungus (=Weiße; an dieses Wort sollte man sich gewöhnen) gelten dabei als Vorbild.

Der Schulleiter war Lehrer aus Leib und Seele, gab nachmittags kostenlose Nachhilfe und hat für dortige Verhältnisse wirklich guten Mathematikunterricht geleistet. Die morgendliche Parade, in der die Kinder in Reih und Glied standen – hat er angeführt. Dann wurde beispielsweise die Nationalhymne gesungen, ein bisschen Morgensport betrieben und in die Klasse marschiert – mit Getrommel des Schulorchesters. Dieses Ritual macht den Kindern aber ziemlich viel Spaß und auch der Headteacher hampelt beim Sport vorne mit.

Als wir ankamen hatte die Schule allerdings erstmal 2 Wochen Ferien – von denen in einer Woche dennoch 3 Klassen anwesend waren: Prüfungsvorbereitungen. Die freie Woche haben wir sinnvoll genutzt und 5 Tage Zanzibar genossen. Als kleiner Tipp am Rande: Es lohnt sich, früh aufzustehen, den Fischmarkt anzuschauen und eine Gewürztour mitzumachen!

Die Kids haben uns gar nicht mehr gehen lassen wollen. Obwohl man die Armut spürt und an zerrissenen Schuluniformen oder kaputten Schuhen sieht, strahlen die Kinder eine besondere Wärme aus. Sie sind anhänglich und fasziniert von unseren feinen Haaren, wollten einfach immer um uns sein!

Da wir durch den eigentlich gut geplanten, aber nicht immer realisierten Stundenplan nicht ganz durchgeblickt haben und ohnehin O-Ton des Schulleiters war: "Do like … what you want! Feel free! The kids should enjoy with you!" und wir am besten jeden Tag in jeder Klasse präsent sein sollten, hatten wir ein ziemlich lockeres Programm bezüglich Stoffvermittlung: Luftballontanz, Schiffchen basteln, Steckbriefe schreiben, dazwischen mal ein bisschen Mathe, Deutsch-Swahili-Unterricht, gemeinsames Singen und Tanzen – es war fast alles dabei.

Die Verständigung hat super funktioniert: Die Kinder ab Klasse 6 haben besser Englisch gesprochen als wir! Auch im "Kindergarden" waren wir mal – da es hier mit dem Erklären ja noch schwer ist, bekamen wir Unterstützung von den Lehrern und haben einfach mal mit Knete oder Bällen gespielt. Das war für die Kleinen so gar nicht verständlich: Spielen, was ist das eigentlich?? Ich garantiere euch: Bring einen einzigen Luftballon mit und du hast das Herz einer ganzen Klasse erobert! Noch nie habe ich Kinder gesehen, die sich so an einem Stück Luft freuen können wie hier.

Fasziniert war ich anfangs vom Schulstoff: "Hilfe, schriftliches Wurzelziehen aus vierstelligen Zahlen in der 6.Klasse?! Das habe ich in meinem ganzen Mathematikstudium nie erlebt!" 
Auch wenn so manches recht früh gelehrt wird – verstanden haben es doch die wenigsten. Im Klassenbuch steht pauschal: "All pupils have understood." Hier zählt Schema F und wenn du es kannst, ist es gut. Wenn nicht, Pech. Logisches Denken wird so gut wie nicht geschult und obwohl in Klasse 2 dreistellige Zahlen subtrahiert werden, können die Kinder Aufgaben wie "4 – 1" nur mit Hilfe ihrer Finger lösen. 5 Wochen sind leider viel zu wenig Zeit um hier nachhaltig etwas zu bewegen.

Mein Highlight war aber ein kleiner Junge in eben dieser 2.Klasse, der jede Aufgabe grundsätzlich nur von seinem Banknachbarn abgeschrieben hat. Er hatte jedes Ergebnis richtig, die Lehrerin hat ständig ihre Haken drunter gesetzt, aber von Rechnen hatte er keinen Plan. Nachdem ich versucht habe der Klasse verständlich zu machen, dass ihnen Abschreiben eigentlich nichts nützt, brannte dieser Junge richtig darauf, Rechnen zu lernen. Es war Pause, alle rannten raus. Er blieb sitzen, damit ich ihm Mathe erkläre. Und als ich irgendwann gesagt habe, er soll doch jetzt auch mal Pause machen, meinte er so: "But after break we continue??!"

Ja – wenn ich das erreicht habe, dass nun einer wirklich was lernen will, dann war mein Einsatz persönlich für mich schon ein Erfolg.

Give Thanks

Danke Aidanus, dass du unser ganzes Gepäck in dieses winzige Auto gequetscht hast (auch wenn mein Koffer später ein Stück vom Kofferraum abgebrochen hat). Danke Edwin, dass wir deine Familie kennenlernen durften und sag' Yoshua bitte er soll den Motorradhelm richtigrum aufsetzen. Danke Baraka, dass du mit uns drei Mal in den kaltschweißriechenden Tigoshop gefahren bist.

Danke Peter für eine unvergessliche Safari; wir sind stolz darauf wie wunderbar du mit einer Handbremse umgehen kannst und hoffen, deine Frau hat sich über die Kohlebriketts gefreut. Danke Ramadan für dein Lächeln jeden Morgen, das grüne Wachmeisteroutfit steht dir super. Danke Jay, Cheddrak und Taxidriver für zwei supertolle Wanderungen, aber mit FlipFlops hätte ich das wirklich nicht hinbekommen. Danke Jay, Adolph und Master P. für einen sehr lustigen und verrückten Tanzanian Tanzabend und den Shuttleservice zum Bus am nächsten Morgen. Danke Piki, dass du dir mit dem Markt so Mühe gegeben hast, auch wenn ich die Silberlöffel wirklich nicht kaufen wollte.

Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens und ich habe schließlich ein bisschen der tansanischen Mentalität mit nach Deutschland nehmen können. In diesem Sinne: "Haraka, haraka – haina baraka!"

Unterrichten als Volunteer in Tansania Erfahrungsbericht von Simone D, August 2013

Portrait Simone
Autor
Simone

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