01.08.2020 / Erfahrungsberichte

Kinder unterrichten in Nepal Erfahrungsbericht

Das erste Mal in Asien, überhaupt das erste Mal auf einem fremden Kontinent außerhalb von Europa, habe ich nicht mehr als ein paar Tage gebraucht, um mich an diese vollkommen andere Welt der Nepalesen zu gewöhnen und sie letztendlich lieben zu lernen. Zurück zuhause hat diese Eingewöhnungsphase erstaunlicherweise einige Wochen gedauert. Mich wieder im sauberen, geordneten und kühlen Deutschland zu akklimatisieren, hat mir tatsächlich mehr Zeit abverlangt.

Annas Zeit in Nepal

Abenteuer Freiwilligenarbeit in Nepal - bunt, herzlich, unvergesslich!

"Did you eat rice?" Eine Frage, die mir vor nicht allzu langer Zeit täglich gestellt wurde. Eine Frage, die zwei wesentliche Aspekte der nepalesischen Mentalität zusammenfasst: Ihre Fürsorge beziehungsweise Herzlichkeit sowie das Nationalgericht "dal bhat" (Reis mit Linsen). Ich durfte sechs unvergessliche Wochen im wunderschönen Land Nepal mit den freundlichsten Menschen, die mir je begegnet sind, verbringen. Ich beginne meinen Erfahrungsbericht ganz unkonventionell mit dem Fazit:

Meine Zeit in Nepal war viel zu kurz!

Das erste Mal in Asien, überhaupt das erste Mal auf einem fremden Kontinent außerhalb von Europa, habe ich nicht mehr als ein paar Tage gebraucht, um mich an diese vollkommen andere Welt der Nepalesen zu gewöhnen und sie letztendlich lieben zu lernen. Zurück zuhause hat diese Eingewöhnungsphase erstaunlicherweise einige Wochen gedauert. Mich wieder im sauberen, geordneten und kühlen Deutschland zu akklimatisieren, hat mir tatsächlich mehr Zeit abverlangt.

Erste Bekanntschaften

Den ersten Vorgeschmack vom Land und seinen Bewohnern bekam ich bereits im Flugzeug Richtung Kathmandu durch eine kurze, aber schöne Begegnung. Ich saß völlig übermüdet mitten in der Nacht am Flughafen meines Zwischenstopps in Doha, und habe meine sechs Stunden Wartezeit halb schlafend und halb beeindruckt von den weißgekleideten Scheichs, die (eine Meute von Burka-Frauen hinter sich herziehend) an mir vorbei stolzierten, abgesessen. In diesem Moment sprach mich ein junger Mann vom gegenüberliegenden Sitz zögerlich an: "Hello…where are you from?" Und so kamen wir ins Gespräch. Ein junger Nepalese, der, wie viele andere jungen Frauen und Männer in Nepal davon träumen, im Ausland studierte und nun seit einem Jahr zum ersten Mal nach Hause flog, um seine Familie zu besuchen. Er freute sich auf sein Zuhause und schwärmte mir von seinem Land vor: "If you are the first time in Nepal you’ll love it! The people are much more friendly there!" Ein Versprechen, das sich bewahrheiten sollte. Ich war sehr dankbar für seine Gesellschaft, er nahm mir die Nervosität, die sich langsam in mir breit machte, als wir ins Flugzeug stiegen. Nun konnte ich mich ganz und gar auf die folgenden eineinhalb Monate freuen!

Ankunft in Kathmandu

In Kathmandu angekommen war ich nach den überfüllten Flughäfen in München und Doha etwas überrascht in der Hauptstadt Nepals einen Flughafen vorzufinden, in dem neben Backsteinen und Beamten nichts zu finden ist. Einfach nichts. Draußen erwartete mich eine Hitze, die ich von Deutschland im Februar nicht gewohnt war, sowie eine Horde von Taxifahrern, die auf mich zustürmten und mir versprachen mich bis ans Ende der Welt zu fahren. Etwas überfordert schaute ich mich um und entdeckte auf der anderen Straßenseite zwischen all den Menschen mit Schildern in der Hand auch eines mit meinem Namen darauf. Schnell eilte ich darauf zu und wurde herzlich mit einem typisch nepalesischen Willkommensschal begrüßt. Keine Minute später fand ich mich in einem Auto im Verkehrschaos von Kathmandu wieder. Eigentlich sollte mich Sher abholen, da er sich aber noch in Deutschland aufhielt, wurde ich von einem sehr hilfsbereiten Mitarbeiter des Reisebüros empfangen.

Mein erster Eindruck von Nepal

Wir, beziehungsweise der Fahrer kämpfte sich durch die Straßen Kathmandus und ich konnte mich nicht sattsehen an dieser völlig neuen Welt und ich schaute und schaute und schaute…Es gab so viel zu sehen! Mein erster Eindruck lässt sich mit den Worten "dreckig" und "bunt" beschreiben. Ich hatte noch nie so viele Farben auf so engem Raum gesehen! Die Gebäude sahen teilweise aus, als würden sie gleich einstürzen und die Straßen waren voller Staub, sodass die meisten Menschen Mundschutz trugen. Am besten lässt sich Kathmandu allerdings mit dem Wort "crowded" charakterisieren. Die oft sehr engen Straßen sind einfach überfüllt. Voll von Menschen, Hunden, Kühen, Autos, Fahrrädern, Verkaufsständen, Motorrädern, Dreck und Staub…

Wir fuhren nach Thamel, der Stadtteil, indem sich mein Hotel und das Reisebüro von Sher, sowie dessen Wohnung, befinden. Das Hotel ist einfach, aber mit dem nötigsten ausgestattet, ich bekam ein schönes Zimmer mit großem Bett und kleinem Badezimmer. Direkt nebenan war ein kleines Restaurant, in dem man gut Frühstücken konnte. Gegenüber eine Geldwechselstube, in der ich gleich nach der Ankunft meine Euros getauscht habe und in meiner Unwissenheit überrascht war vom dicken Packen Scheine den ich bekam. In diesem Moment dachte ich, ich hätte noch nie so viel Geld in der Hand gehalten, dabei sind die größten Scheine, 1000 Rupie, umgerechnet nicht mehr wert als etwa 8€. Die Mitarbeiter des Reisebüros waren fast rund um die Uhr Ansprechpartner für mich, wenn ich irgendetwas wissen wollte, so nahmen sie sich geduldig Zeit für mich.

Die Straßen von Thamel

Nach meiner Ankunft zog es mich sofort in die Gassen Thamels und ich stürzte mich ins Getümmel, was sich allerdings als eine größere Herausforderung erwies, als angenommen. Vier Stunden später fand ich den Weg zurück ins Hotel und stellte fest, dass ich nicht nur einmal direkt daran vorbeigelaufen war. Ohne Straßennamen ist es wirklich ein Erlebnis sich alleine durch die Straßen von Thamel zu bewegen! Enge Gassen voller Einkaufsshops, die alle in etwa dasselbe verkaufen, Tee, Pashmina- oder Yak-Wollen-Schals, Mandalas, Schmuck etc. Auf dem Weg gelangt man plötzlich recht unerwartet an kleine Plätze, auf denen Mini-Tempel oder Stupas zu sehen sind. Straßenkreuzungen, an denen sich der Verkehr noch mehr staut, laute Hupkonzerte, Motorräder, die sich durchschlängeln und offensichtlich lebensmüde Fußgänger ergänzen das Bild.

Nepalesische Gerichte

Für den Abend war ich von Munu, der Frau von Sher, eingeladen worden, bei ihr Abend zu essen und ich nahm meine erste nepalesische Mahlzeit zu mir. Dal bhat, Reis mit Linsen und Kartoffeln sowie etwas Hühnchenfleisch und diversem anderen Gemüse, welches in großen Blechtellern auf dem Boden sitzend mit einer Hand gegessen wird, wurde tatsächlich im Laufe der Zeit zu einem meiner Lieblingsgerichte! Zu diesem Zeitpunkt aber hatte ich damit zu kämpfen, den Reis auf einer Hand in meinen hungrigen Mund zu balancieren, was zu Belustigung von Seiten Munus führte. Danach gab es den typisch nepalesischen milk-tea, Schwarztee mit Milch und viel Zucker und einen einzigartigen Joghurt, das klassische Dessert. Nach dem Essen erzählte mir Munu viel von der Familie, Kathmandu und auch Chitwan, meiner nächsten großen Etappe. Ich fühlte mich aufgehoben, und die Frau von Sher versicherte mir, ich würde mich bei der Familie von Shiri in Chitwan wie Zuhause fühlen, es sei dort eine große Gemeinschaft. An diesem Tag schlief ich erschöpft und voll von den vielen neuen Eindrücken des Tages in meinem Bett ein, wie in den folgenden sechs Wochen fast jeden Tag.

Stadtführung durch Kathmandu

Am nächsten Tag erwartete mich Buddhi, mein absoluter Lieblingsguide in Nepal, nach dem Frühstück direkt am Hotel. Wir hatten eine große Stadtführung mit eigenem Fahrer vor uns, organisiert von Sher beziehungsweise seinen Mitarbeitern von der travel agency. Buddhi spricht deutsch, englisch und koreanisch, hat immer ein Lachen im Gesicht und ist für jeden Spaß zu haben. Er hat mir die wichtigsten Plätze von Kathmandu gezeigt und mich in die Welt der Kasten, ethnischen Gruppen, Götter und Sagen der Hindi und Buddhisten eingeführt. Es war beeindruckend diese Kultur zu erleben! Das Land ist geprägt von seinen Religionen, zum größten Teil dem Hinduismus, jedoch fast gleichwertig wird der Glaube der Buddhisten praktiziert, welcher jedoch einen wesentlich kleineren Prozentanteil in der Bevölkerung ausmacht.

Der Morgen vor der Reise zum Projekt

Der dritte Tag in Kathmandu startete für mich schon im Morgengrauen, als ich mit meinem Koffer die Treppe des Hotels herunter polterte und den Mann an der Rezeption weckte, um auszuchecken. Ich hatte am Abend vorher mein Busticket mit ausführlicher Wegbeschreibung zur Bushaltstelle vom Mitarbeiter von Sher bekommen. Mein Aufbrechen am frühen Morgen sorgte dennoch etwas für Verwirrung, ich war der Meinung, die Rechnung sei bereits beglichen, der freundliche schlaftrunkene Mann mittleren Alters wusste allerdings nicht, wovon ich sprach. So zahlte ich ihm den Betrag für die vergangenen zwei Nächte, welcher für uns in Deutschland vergleichbar war mit einem Apfel und einem Ei (Das Missverständnis wurde zurück in Deutschland dann geklärt).

Die erste Rikscha-Fahrt

Ich schleifte meinen kaputten und leider viel zu schweren Koffer die Straße entlang, wobei mein Anblick wohl für Erheiterung der Nepalesen sorgte, ich wurde nicht nur einmal angesprochen, wohin ich denn wollte. Schließlich gab ich den Versuch auf, ohne Hilfe voranzukommen, der Koffer war durch den Flug kaputt gegangen und viel zu schwer zum Tragen, und ich wehrte mich nicht mehr, als etwa der zehnte Rikscha Fahrer, der mich ansprach, sich meinen Koffer kurzerhand schnappte und auflud. So sind wir in einer unerwartet hohen Geschwindigkeit über Stock und Stein ohne Rücksicht auf Verluste zur "Busstation" geholpert. Bei der Bezahlung erfuhr ich zum ersten Mal die Einstellung, ich würde fast behaupten das Vorurteil der Nepalesen weißen Menschen gegenüber, indem er sagte: "If you can give me more money….You see, I am poor and you‘re not." Eine unangenehme Situation, wie sie leider noch oft vorkommen sollte. Er konnte nicht wissen, dass auch ich als Studentin jeden Cent umdrehen muss und mir die Reise hart erarbeitet hatte. Das Leben in Deutschland ist teurer als er wohl dachte.

Den Bus an der Bushaltestelle zu finden war nicht schwer. Freundlich und offen wie die Nepalesen sind, wurde mir sofort geholfen, ein Mann nahm meinen Koffer und führte mich zum richtigen Bus mit den Worten: "I am not a bus driver, I am just helper." Danke, mein Helfer!

Die abenteuerliche Busfahrt zum Freiwilligenprojekt

Der Bus-driver hatte mich scheinbar schon erwartet, er sprach mich mit meinem Namen an. Es waren bereits viele weiße Touristen im Bus, daran konnte es nicht liegen, dass er wusste, wer ich bin. Woher aber ist mir bis heute ein Rätsel. Die Fahrt war lang, sieben Stunden sind wir den "Highway" entlang gebrettert, in Serpentinen die Berge entlang, immer mehr Höhenmeter nach unten. Die "Autobahn" in Nepal ist bemerkenswert, in Deutschland ist sogar ein Feldweg besser ausgebaut. Teilweise unbetoniert, mit riesigen Schlaglöchern, in die der Bus entweder einfach hineinfährt oder auf die andere Fahrbahnseite ausweicht, was einen Stau auf dieser Seite verursacht, begleitet von lautstarkem Hupen. Langweilig wurde mir auf der ganzen Fahrt nicht.

Die Landschaft ist beeindruckend! Berge beziehungsweise "Hills" (alles, was unter 3000 Höhenmeter misst, zählt zu den Hügeln, also der Großteil der Allgäuer Alpen aus meiner Heimat) soweit das Auge reicht. Wenn man in Kathmandu schockiert war von mancher Armut, die man gesehen hat, so wird man vom Anblick der Menschen, die am Rande der Straße wohnen, zutiefst betroffen sein. Ein paar Bretter gestapelt, Wellblech darüber und eine Feuerstelle davor, das ist ein scheinbar ausreichendes Zuhause für ganze Familien mit mehreren Kindern. Diese springen sorglos am Rande des Highways in Tücher gewickelt durch den Staub und saugen ihre Lungen voll mit Abgasen…An manchen Tagen spannen die Kinder dort lange Schnüre quer über die Straße, um die Autos anzuhalten und nur gegen Bezahlung heben sie diese Straßensperre auf. Das ist ihr Alltag…

Als sich die Landschaft veränderte, die letzten Hügel schon ein paar Stunden entfernt lagen und wir neben dem Fluss herfuhren, der sich durch das trockene Land schlängelt, wurde mir klar, dass wir wohl bald am Ziel sein müssten. Nur wie hieß das nochmal? Ich wusste das Gebiet, Chitwan National Park, und den Namen des Dorfes, doch selbst da war ich mir nicht sicher. Wir passierten ein Dorf nach dem anderen, kamen recht bald in eine große Stadt, wie ich später erfuhr Bharatpur, die erste große Stadt im National Park. Hier hielt der Bus alle paar Meter, immer wenn ein Passagier sich aus dem Bus lehnte (der durchgehend mit offener Tür fuhr) und von außen gegen das Fahrerhäuschen klopfte, um sich bemerkbar zu machen, dass er hier aussteigen wollte. So langsam stieg Unruhe in mir auf, ich wusste ja gar nicht, wo ich eigentlich aussteigen sollte…Gab es so etwas wie feste Haltestellen? Der Mann neben mir sprach etwas Englisch, jedoch leider nicht ausreichend, um mir meine Frage zu beantworten. Immerhin hatte ich erfahren, dass er nach Hause zu Frau und Kind fuhr und geschäftlich in Kathmandu zu tun hatte. Interessant, aber wenig hilfreich…

Schließlich blieb ich sitzen bis zum Ende, was sich als richtige Entscheidung erwies. Ich war angekommen in Sauraha, im Herzen von Chitwan. Auch hier wurden alle Passagiere des Touristenbusses überfallen von Männern in Jeeps, die Schilder mit Hotelnamen hoch hielten und uns alle das wohl beste Angebot unseres Lebens machten. Ein Spektakel, das ich im Laufe der nächsten Wochen noch öfter verfolgen sollte, wenn ein Touristenbus ankam, lauerten sie schon an der "Bushaltestelle" auf die neu Angekommenen.

Ankunft in Sauraha

Ich stieg also aus, wehrte die Männer ab und stand erst einmal verloren neben meinem Gepäck. Ich wurde gefragt, welches Hotel ich gebucht hatte, ob man mich mit in die Stadt nehmen sollte oder wohin ich eigentlich wollte. Ja, wohin wollte ich eigentlich? Ich wartete eine Weile in der Hoffnung, es würde mich wieder jemand erkennen und ansprechen, wie der mysteriöse Bus-driver in Kathmandu, doch so langsam lichtete sich der Platz und ich war fast alleine. Schließlich rief ich bei der Nummer an, die mir der Mitarbeiter der Travel agency aus Kathmandu gegeben hatte, die nepalesische Vorwahl erfuhr ich zum Glück von einem Pärchen, das mit mir im Bus gefahren war. Dann ging alles ganz schnell, es wurde ein Jeep geschickt, der mich holen sollte, keine 3 Minuten später fuhr er mit einer Staubwolke her und ein netter grün gekleideter Mann lud mein Gepäck und mich hinten auf. Wir holperten wieder über Stock und Stein ins Dorf, Bacchauli und dann war ich zu Hause, Hotel Parkside.

Meine Unterkunft vor Ort

Shiri hieß mich ganz herzlich willkommen und kümmerte sich gleich um mein Gepäck und dass ich etwas zu essen bekam. Dann führte er mich zu meinem Zimmer nach hinten durch das Hotelgelände zu seinem Haus, seiner Frau und Kind, sowie den Aufenthaltsort der meisten Angestellten. Hier war die Küche, ein großes Lehmgebäude mit Feuerstelle und Waschbecken, was sich als Art Treffpunkt herausstellte. Außerdem und hiervon konnte ich meinen Blick erst einmal nicht mehr abwenden, gab es, unter einer Art Unterstellplatz, einen Elefanten! Es war ein Weibchen und sie lebt hier, geht jeden Morgen zur Arbeit und kommt abends wieder. Und zwar Elefantenreiten, für die Touristen. Natürlich gibt es auch zwei Elefanten-rider, die sich um sie kümmern. Vor der Küche saßen einige Frauen in Kurta, das traditionelle Gewand, auf dem Boden oder auf Korb-Hockern und wuschen und schnitten Kartoffeln, Ingwer, Knoblauch etc. Ich hielt es nicht lange in meinem Zimmer aus und gesellte mich zu ihnen und wurde prompt ins Waschen und Schneiden eingespannt. Die wenigsten der Frauen konnten Englisch, was die Verständigung zwar schwer aber nicht unmöglich machte. Sushila, die Frau von Shiri war von Anfang an an meiner Seite und eine Ansprechpartnerin, ihre zwei Jahre alte Tochter Salwa war zum Knuddeln!

Das war der Beginn einer Zeit, die unvergesslich war! Ich erfuhr so viel Wärme und Herzlichkeit, gleichermaßen wie ich die Armut zu sehen bekam und feststellte, dass es wichtig ist, Nein zu sagen.

Die ersten Tage in Chitwan

Die ersten Tage in Chitwan waren wie ein Traum, ich durfte einen Jungle-walk mit zwei Guides des Hotels machen, sah Nashörner keine zwanzig Meter von mir entfernt, musste auf einen Baum klettern, um diesen Rhinos nicht in die Quere zu kommen, sah Krokodile, Affen und natürlich Elefanten in Hülle und Fülle. Auch einen Elefantenritt durfte ich mitmachen. Wenn ich Zeit hatte, half ich in der Küche des Hotels, beim Zimmer machen oder beim Kochen des Essens für die Angestellten und mich.

Ein typischer Tagesablauf

Der Tag begann für die meisten Mitarbeiter schon sehr früh, ab halb 6 Uhr teilweise, wenn die Büffel gemolken werden mussten. Ich durfte zum Glück länger schlafen. Nach dem Aufstehen konnte ich mir immer in der Küche einen Chiya-Tee abholen. Ab 9 Uhr etwa gab es das erste Mal Dal Bhat. Entweder ich aß hier mit den anderen oder ich hatte die Wahl im Hotel ein Frühstück zu bekommen, Pancakes, Toast, Ei und Tee.

Ein paar Tage nach meiner Ankunft kannte ich das ganze Hotel und Munu hatte in Kathmandu nicht übertrieben, es war wirklich wie eine große Familie! Doch meine eigentliche Aufgabe wartete erst noch auf mich, die Schule!

Meine Freiwilligenarbeit in der Schule

Drei Tage später fuhr Shiri mich mit seinem Motorrad zur etwa 3 km entfernten Schule in Jhuwani. Hier wurde ich dem Direktor vorgestellt, welcher mich in der Primary School willkommen hieß. Shiri verabschiedete sich von mir und versprach, mich nach der Schule wieder abzuholen. Gleich darauf begleitete der Direktor mich in eine Klasse und stellte mich mit den Worten vor: "This is Anna, she is from Germany and she is our new teacher." Dann wandte er sich mir zu: "So, then I let you alone. Bye." Er drückte mir einen Stift und eine Art Bürste für die Tafel (es existieren tatsächlich für jedes Klassenzimmer ein "white-board") in die Hand und weg war er.

Da stand ich dann vor 20 Kindern, die mich mit großen Augen ansahen. Ich wusste nicht, welche Jahrgangsstufe ich vor mir hatte, welches Fach ich unterrichten sollte und ob mich überhaupt ein Kind verstand. Darauf war ich nicht vorbereitet! Dann packte ich aus meinem vollen Rucksack die ersten Unterrichtsmaterialien, die ich glücklicherweise von zuhause mitgebracht hatte aus und begann zu unterrichten. Sieben Stunden am Tag in sieben verschiedenen Klassen. Die Schule in Nepal ist unbeschreiblich. So etwas wie Struktur und Rituale oder Regeln existieren nicht. Weder bei Schülern, noch bei Lehrern, diese scheinen zu kommen und zu gehen, wie sie wollen. Vielleicht gibt es eine Art System dahinter, ich habe in den vier Wochen, in denen ich Teil des Schulalltags war, keines entdeckt. Ich war in allen Klassen, von der KG-Klasse, die Vorschulklasse, bis zur 9. Klasse im Gebäude nebenan, die Secondary School. Ich hatte kaum Freistunden, unter anderem weil ich unterrichten wollte, manchmal wurde ich gefragt, ob ich noch Lust hätte, oder ob ich mich lieber hinsetzten wollte. Natürlich hatte ich Lust! Ich kämpfte mich von einer Klasse in die nächste und brauchte eine Weile bis ich die Art und Weise, diese Kinder zu unterrichten, verstand. Und bis sie meine Art und Weise zu unterrichten verstanden.

Eine typische Unterrichtsstunde in Nepal

Eine Unterrichtsstunde, in der ich nach ein paar Tagen beim Direktor in der Klasse zusehen durfte, war sehr aufschlussreich. Die Schüler sind Frontalunterricht gewohnt, ausschließlich Frontalunterricht. Dabei arbeiten sie mit dem Buch, wenn man es Buch nennen kann. Es ist nicht unbedingt schlecht aufgebaut, beinhaltet Texte und Übungen, und ist dennoch fast unbrauchbar, da die Kinder keine Schultaschen besitzen und die Bücher und Hefte auf dem Gepäckträger oder unter dem Arm durch den Dreck und Staub der Straßen transportieren. Außerdem müssen einzelne Seiten aus dem Buch herhalten, falls mal kein Papier vorhanden ist. Im Unterricht wird ein Text vom Lehrer vorgelesen, neue Wörter spricht die Lehrkraft laut vor und die Kinder wiederholen, mit oder ohne jegliches Verständnis, so lange, bis sie es können. Wenn ein Kind dem gestellten Arbeitsauftrag nicht nachkommt, sich fremd beschäftigt oder mit dem Nachbarn schwätzt, dann marschiert der Lehrer, wie ich beobachtet habe, durch die Reihen und gibt einem solchen Kind ohne Vorwarnung von hinten einen mal mehr, mal weniger harten Klapps auf den Hinterkopf. In der Klasse ist es still. Mucksmäuschen still.

Anfängliche Schwierigkeiten

In meiner allerdings nicht. Ich bin mit der Einstellung in das Entwicklungsland geflogen, dass ich lauter Kinder vor mir haben werde, die brav vor mir sitzen und es gar nicht erwarten können, etwas zu lernen. Diese Vorstellung entpuppte sich bereits in der ersten Stunde als Illusion, als ich eine Horde 9-Jähriger auf mich zustürmen sah, sobald ich meine mitgebrachten roten Kärtchen aus dem Rucksack gezogen hatte. Sie rissen sie mir regelrecht aus der Hand und bis ich mich versah, herrschte das reine Chaos. Es brauchte fast die gesamte Stunde, die Kinder wieder zu beruhigen und auf ihre Plätze zu kriegen, damit ich ihnen die Arbeitsanweisung, was mit den Kärtchen zu tun ist, geben konnte. Dann war die Zeit vorbei und ich sah mich vor die Herausforderung gestellt, den Kindern nun klar zu machen, dass sie die schönen roten Kärtchen wieder hergeben mussten, ich wollte sie ja noch weiter verwenden.

Schöne Momente in der Schule

Es gab wunderschöne Momente mit den Kindern, die Kleinen, welche kaum Englisch sprechen und es geliebt haben, meine weiße Haut zu berühren und mich dann anstrahlten. Ebenso die Großen, die mir schon singend und tanzend auf dem Weg ins Klassenzimmer entgegen stürzten und mir damit mitteilen wollten, dass ihnen mein Bewegungslied vom letzten Mal gefallen hat und sie es noch einmal machen möchten. Jeden Morgen wurde ich bereits am Tor von lachenden und schreienden Kindern überrannt, die mir die Hand entgegenstreckten zum "ZAZ" – dem nepalesischen "High five", ich kam mir manchmal vor wie ein Popstar in der Fanmeile…

Umgang mit der vorherrschenden Armut

Allerdings habe ich auch einige bedrückend Erfahrungen gemacht, vor allem dann, wenn mich die Kinder um Süßigkeiten oder Bleistifte anbettelten und ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Gebe ich einem etwas, muss ich allen etwas geben und so viel hab ich nicht. Außerdem betteln sie dann immer weiter. Aber einem Kind mit zerrissenen und dreckigen Hosen, Zahnlücken und laufender Nase, das dir beide Hände entgegen streckt NEIN zu sagen, ist wirklich nicht leicht… Ich habe die Kinder in mein Herz geschlossen, auch wenn es manchmal harte Arbeit mit ihnen war. Ich habe "Bestrafungsmethoden" eingeführt, wie zum Beispiel alleine in der Ecke stehen oder mit Blick an die Wand sitzen. Von Zeit zu Zeit hat es funktioniert, aber nicht immer. Auch in Entwicklungsländern sind und bleiben es Kinder, die es teilweise faustdick hinter den Ohren haben.

Das Holi-Fest

Eine weitere wunderschöne Erfahrung war das Holi-Fest. Es wird normalerweise in verschiedenen Distrikten Nepals an verschiedenen Tagen gefeiert. Ich habe es 3 Tage lang am selben Ort gefeiert. Zuerst in der Schule, worauf ich nicht vorbereitet war. Schon nach der ersten Stunde war an keinen Unterricht mehr zu denken und jeder lief schreiend umher, um den anderen mit Farbpulver zu überschütten und "Happy Holi" zu wünschen. Auch vor mir gab es natürlich keinen Halt und ich war bald kunterbunt mit dabei. Es ist das Farbenfest der Hinduisten, es ist zu Ehren einer Gottheit, doch keiner konnte mir so richtig sagen, worum es eigentlich geht. "Wir tanzen und singen und spielen mit Wasser und Farbe!", war die Erklärung, die ich immer wieder zu hören bekam. So ist es und es ist toll! Am selben Tag war in der Schule eine Verabschiedung eines Lehrers, eine Art Zeremonie mit der ganzen Schule, die ich auch miterleben durfte.

Ausflüge und Reisen

Zwischenzeitlich habe ich durch einen Besuch von Sher erfahren, dass eine Gruppe deutscher Touristen eine Treckingtour von Pokhara startet, wobei er mir angeboten hatte, dass ich mich gerne anschließen kann. Nachdem ich in meinen zwei freien Wochen von vornherein eine solche Tour geplant hatte, zögerte ich nicht und sagte zu! Ich sprach mit Shiri und dem Direktor der Schule und fand mich also zwei Tage später im Bus nach Pokhara wieder. Es folgten fünf Tage wandern im Himalaya (wieder mit Buddhi – meinem Lieblingsguide!), vier wunderschöne Tage in Pokhara, wo ich neben den Touristenplätzen (Weltfriedensstupa, Schlucht und Höhlen) auch noch einen Gleitschirmflug erleben durfte! Es ist ein unkompliziertes Leben in Nepal, wie ich empfunden habe. Die Menschen machen sich keine Gedanken darüber, was morgen ist oder in einer Stunde. Jetzt ist jetzt und wir machen das Beste daraus!

So farbenfroh und leicht das im ersten Moment erscheint, so habe ich auch recht schnell die Schattenseiten dieser Lebenseinstellung kennengelernt. Die Pläne ändern sich ständig, feste Zeiten existieren nicht, auf nichts und niemanden ist zu hundert Prozent Verlass. Das gilt natürlich auch für den Bus. Die öffentlichen Busse sind eine Fahrt wert! Man steigt ein und aus, wenn man einem Bus begegnet und er fährt los, wenn er voll ist. Termindruck darf man da wirklich nicht haben. Das habe ich vor allem bei einer Reise nach Lumbini, dem Geburtsort Buddhas festgestellt, wo ich für eine Strecke, die mit dem Motorrad in 90 Minuten zu schaffen wäre, insgesamt sieben Stunden im Bus saß. In fünf verschiedenen Bussen. Irgendwann wusste ich nicht mehr, ob ich an diesem Tage noch ankommen würde, jedoch war ich mir sicher, dass ich am Abend einen Schlafplatz haben würde. Das ist das Schöne an Nepal, die Herzlichkeit und Offenheit der Menschen ist dir sicher!

Prüfungszeit in der Schule

Nach meiner Zeit in Pokhara bin ich nochmal zurück gekehrt und habe meine Zeit in der Schule beendet. Nun standen die Examen an, bei denen ich Aufsicht machen sollte. Auch hier war ich schockiert über das Bildungswesen in Nepal. Die Schüler bekommen ihre Prüfungsbögen und wenn sie Fragen haben, dürfen sie den Lehrer fragen. Und dieser antwortet ihnen und zwar mit der Lösung! Die Schule besuchen auch einige blinde Schüler und Schülerinnen, welche schon im alltäglichen Unterricht vollkommen untergehen. Die Prüfungen für diese Kinder allerdings haben mich am Sinn der Schulbildung zweifeln lassen. Es waren Aufgaben, in denen ein Bild gezeigt wurde und es galt dieses Bild zu beschreiben. Auf meine Frage, wie ein blindes Kind ein Bild beschreiben solle, bekam ich die Antwort: "Du beschreibst das Bild und die Schüler hören zu, was du sagst. Das schreiben sie auf."

Abschied von Nepal

3 Tage bevor mein Flug zurück nach Deutschland ging machte ich mich wieder auf den Weg nach Kathmandu, immer in der Voraussicht, dass es sein könnte, dass der Bus nicht pünktlich ankommen würde und ich somit einen Tag länger brauchen würde. Deshalb habe ich grundsätzlich mehr Zeit eingeplant, was jedem zu empfehlen ist. Dort angekommen nahm ich ein Taxi wieder nach Thamel, zum Hotel, das ich noch von den ersten Tagen in der Hauptstadt kannte. Da diese jedoch ausgebucht war, bekam ich ein Zimmer in einem nahen, etwas teureren Hotel. Die letzten Tage waren ein schöner Ausklang, ich besorgte alle mir aufgetragenen Mitbringsel für Freunde und Verwandte, konnte die Ereignisse der letzten Wochen etwas setzen lassen und traf auch Buddhi wieder, meinen Lieblingsguide.

Die Zeit verging schnell und bis ich mich versah, war ich wieder im Flugzeug auf dem Weg nach Deutschland. Kaum hatte ich mich eingelebt, einige Namen der Kinder aus der Schule gekannt und die größten Schwachstellen des Schulsystems erkannt, sowie die Punkte, wo man ansetzen müsste, da musste ich wieder gehen. Ich bin mit dem Gedanken ins Flugzeug gestiegen, in ein paar Jahren, wenn ich mein Studium beendet haben werde, für längere Zeit zurück zu kommen und wirklich effektiver helfen zu können!

Kinder unterrichten in Nepal Erfahrungsbericht von Anna N.

Portrait Anna
Autor
Anna

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