01.08.2020 / Erfahrungsberichte

Freiwilligendienst im Straßenkinder Projekt in Ghana Erfahrungsbericht

Heute ist mein letzter Abend hier in Ghana. Vier Wochen war ich hier. Die erste zog sich in die Länge, die restlichen vergingen wie im Flug. Ich kann mich noch gut an meine erste Nacht erinnern: Völlig hilflos und überfordert war ich. Doch in der Zeit, in der ich hier war, habe ich so viel gelernt. Ich habe eine völlig neue Kultur kennengelernt. Eine Kultur, in der viel gelacht und getanzt wird. Eine Kultur, in der die Menschen offen und zufrieden sind mit dem, was sie haben. So kann sich der kleine Junge über meine Wasserflasche freuen.

Chantals Zeit in Ghana

Chantal hat vier Wochen in unserem Straßenkinderprojekt in Ghana mitgeholfen. Hier findest du Auszüge aus ihrem spannenden Erfahrungsbericht. Du bist neugierig geworden? Den vollständigen Bericht findest du als Download-Datei.

Ghana se’w Akwaaba! (Willkommen in Ghana!)

Ich stehe in einem großen Zimmer, darin befinden sich 3 Betten, zwei davon sind doppelt belegbar. Über jedem hängt ein großes Moskitonetz. Die Luft ist schwül und riecht anders: eine Mischung aus Meerwasser, Abgasen und einem typischen Geruch, den ich nur aus den heißen Ländern kenne. Fensterscheiben gibt es keine, nur ein Gitternetz und breite Glasjalousien verschliessen das Fenster. Ein Ventilator sorgt für etwas frische Luft.

Es herrscht ein großes Durcheinander und ich weiß nicht, wo ich meinen Koffer, Rucksack und meine Tasche hinstellen soll. Erwartet habe ich ein paar andere Volontäre, aber es ist niemand da. Trotzdem sind alle Betten bezogen und scheinen besetzt zu sein. George, ein Helfer der Organisation, erklärt mir, dass die anderen vermutlich im Ausgang seien. Freundlich weist er mir eines der belegten Betten zu, fragt, ob ich alleine klarkomme und geht dann. Nun fühle ich mich völlig alleine. Da es schon spät ist, will ich noch duschen und dann sofort schlafen gehen.

Doch an den Zustand des Badezimmers muss ich mich erst gewöhnen: Eine Duschbrause gibt es nicht, nur ein Eimer Wasser mit einem Schöpfkübel steht in der Badewanne. Nach dem unbeholfenen Duschgang fühle ich mich noch schmutziger als vorher. Der Boden der Badewanne ist beschädigt und deswegen braun und sandig. Kaum steige ich aus der Wanne, sind meine Füße schon wieder schmutzig. Das Wasser läuft nicht ab, auch im Lavabo nicht. Es gibt kein Toilettenpapier und die Spülung funktioniert auch nicht. Ich bin jetzt die erste Nacht hier und habe das Gefühl, dass ich schon an meine Grenzen komme.

In Ghana ist alles anders

Wer nach Afrika reisen will, dem sollte bewusst sein, dass man das Leben dort nicht mit jenem in der Schweiz vergleichen kann. Es sind nicht nur die hohe Luftfeuchtigkeit, der für uns chaotisch wirkende Verkehr und die ärmeren Verhältnisse, die den Alltag völlig verändern. Es sind auch die Menschen, die viel offener und spontaner sind als bei uns.

Fremde Menschen werden schon im Flugzeug angesprochen und wer durch die Straßen geht, hört immer wieder "Akwaaba“ (Willkommen). Die Kinder rufen aus allen Winkeln "O’Obrouni" (Weisse/r), auf das am besten mit einem Lächeln, einem Winken und einem "O’Obibini" (Schwarze/r) geantwortet wird. Menschen, die einem nahe stehen, werden mit Verwandtschaftsbezeichnungen, wie Mama, Sister, Uncle, etc. angesprochen.

Stromausfall und Wasserausfall gehören schlicht und einfach zum Alltag. Die Straßen und Häuser sind oft zerfallen und schmuddelig. Der Handel findet überall auf den Straßen statt, grosse Einkaufszentren gibt es nur in der Großstadt im Touristenviertel. Und nur mit der rechten Hand darf das Geld gegeben werden, die linke Hand gilt als unrein, denn mit rechts wird gegessen und mit links wird alles erledigt, was die Hände schmutzig macht.

Auch wenn es positive und interessante Aspekte gibt, ist es möglich, dass jemand, der mitten in der Nacht ganz alleine in Accra ankommt und zuvor noch nie dort war, unter einem Kulturschock leidet. So ging es jedenfalls mir.

Ankunft in Accra

Accra ist die Hauptstadt von Ghana und somit das wirtschaftliche und administrative Zentrum. Die Stadt hat laut meinem Reiseführer rund 2.291.300 Einwohner und liegt direkt an der Küste im Süden Ghanas. Am Kotoka International Airport werde ich von George abgeholt, den ich nur dank des knallgelben T-Shirts erkennen kann, das wir beide tragen. Während des Fluges habe ich im Reiseführer gelesen, dass in Ghana viel gelacht werden soll. Die Menschen sollen die Gabe haben, auch über sich selbst richtig lachen zu können. Dies beweist George.

George ist ein dünner, nicht allzu großer, dunkelhäutiger Mann mit einem verschmitzten Lächeln. Er ist ein Angestellter der Organisation, der sich hauptsächlich in der ersten Woche, während des Orientierungs-Programms, um uns Volontäre kümmert. So kommt es, dass auch er derjenige ist, der mich mit dem Auto und einem Fahrer am Flughafen abholt und mich erst mal zu Mama Mina bringt. Sie ist die Hauptverantwortliche des Ghana-Teams der Organisation, die Mama aller Mamas.

Während des 5-tägigen Orientierungs-Programms ist es ihre Aufgabe, uns auf das Leben in Ghana vorzubereiten, indem sie mehrere Workshops durchführt, dazu möchte ich aber später noch Genaueres erzählen. Von Tag zu Tag kommen neue Volontäre an, die dann gruppenweise in die Einführungswoche starten.

Auf der Fahrt zu ihr erzählt mir George auf eine amüsante Weise von seinem Land. Musik sei ein großer und wichtiger Teil ihrer Kultur. Sowohl an Festen, aber auch im Alltag werde viel gesungen und getanzt. Dann erklärt er mir, dass Englisch zwar die Amtssprache Ghanas sei, jedoch kaum jemandes Muttersprache. In Ghana sollen unzählig viele Dialekte gesprochen werden. Diese könne man in über 50 Sprachen zusammenfassen. In Accra spreche man Twi. Daraufhin lernt er mir die angeblich wichtigsten Worte in Twi: "Akwaaba" heißt Willkommen. Wenn Mama Mina mich also so begrüßen werde, dann solle ich mit einem freundlichen "Yjena" (=Danke) antworten. Bei einem Mann solle ich mich aber mit "Jetscha" bedanken.

Von Mama Mina werde ich sehr herzlich empfangen. Im Nachthemd drückt sie mich ganz fest an ihren fülligen Körper. Nachdem wir uns beide kurz vorgestellt haben, geht sie wieder ins Bett. Ich werde zu Mama Irene gefahren, wo ich endlich schlafen soll.

Die Organisation RGV

Rainbow Garden Village, kurz RGV genannt, ist eine deutsche Organisation für Teilnehmer aus ganz Europa. Sie bieten hauptsächlich Auslandspraktika und Freiwilligenarbeit in Afrika und Asien an. Jedes der acht Länder hat ein eigenes Team vor Ort: Ghana, Togo, Uganda, Tansania, Namibia, Südafrika, Nepal und Thailand. Die Organisation macht einen sehr kompetenten Eindruck. Bei Fragen und Problemen kann man sich jeweils an die entsprechende Person wenden, die eine gute Hilfestellung bietet. Im Allgemeinen ist der Umgang sehr familiär.

Sowohl in meinen Unterlagen als auch auf der Homepage der Organisation ist oft von einem "Praktikantenhaus" oder einem "Student House" die Rede, was aber nicht wortwörtlich verstanden werden darf. Aus platztechnischen Gründen existiert dieses nämlich gar nicht. Schon in der ersten Woche leben die Volontäre bei verschiedenen Gastmüttern. Ich zum Beispiel lebe bei Mama Irene.

Erst ab der zweiten Woche wohne ich bei Mama Florence. Trotzdem verbringe ich den Tag hauptsächlich bei Mama Mina, weil wir tagsüber am Orientierungs-Programm teilnehmen und auch unser Frühstück und unser Abendessen bei ihr bekommen. Dies nicht etwa, weil Mama Irene keine Lust hat zu kochen, sondern aus zwei anderen Gründen. Erstens ist es üblich, dass während des Orientierungs-Programms bei Mama Mina gegessen wird, vermutlich, um das familiäre Umfeld zu stärken und einander kennenzulernen. Zweitens ist Mama Irenes Alter laut Angaben anderer Volontäre 94 Jahre. Dennoch lebt sie alleine in einem großen Haus mit Hühnerstall und bietet uns ein Schlafzimmer an.

Freiwilligenarbeit im Straßenkinderprojekt

Das Straßenkinderprojekt ist vor ungefähr einem Jahr entstanden. Damals kamen jeden Tag ungefähr 30 Straßenkinder in den Garten von Mama Mina, wo sie gemeinsam mit einigen Volontären Lieder gesungen, gebastelt, gespielt und gemalt haben. Einige Zeit später begann man erst, die Kinder in Klassen einzuteilen, in denen sie Mathe und Englisch lernen.

Es wurde besprochen, was die Kinder in welchen Klassen lernen sollen und wie man es den Kindern am besten beibringt. Der Unterricht fand draußen an kleinen Holztischen statt, wie auch heute. Eine Volontärin, die damals tätig war, hat Sozialpädagogik studiert und die anderen bei der Planung des Unterrichts und dem Einsatz der Lernmethoden unterstützt. So entstanden erste Zählrahmen mit Korken oder Bierdeckeln, aufgefädelt auf eine Schnur. Doch im Laufe der Zeit sind viele Kinder wieder mit den Eltern zurück in den Norden gefahren, wo sie herkommen. Deshalb sind es heute nur noch etwa zwischen fünf und fünfzehn Kinder, je nach Wetter und Laune der Kinder.

Grundsätzlich ist das Programm strukturiert und vorgegeben, wie jeder Morgen ablaufen soll. Maj-Britt hat dann diesen Plan, wie auch bekannte Lieder, Spiele und wichtige Regeln, endlich aufgeschrieben, sodass die zukünftigen neuen Volontärinnen die Struktur übernehmen können.

Tätigkeiten im Straßenkinderprojekt

Um acht sollten alle anwesend sein, dann wird ein Spiel gespielt, bevor der Unterricht um halb neun beginnt. Die Unterrichtseinheiten dauern sehr lange, deshalb wird auf Abwechslung geachtet. Erst um zehn Uhr ist große Pause. Anschliessend sammeln sich alle in einem großen Kreis, wo Lieder gesungen werden. Dann haben sie noch bis um zwölf Uhr Unterricht. Wenn sie schließlich alles aufgeräumt haben, kriegen sie Mittagessen, meist Reis oder Bohnen mit Soße. Bevor sie essen wird ein langes Tischgebet gerufen, dann schaufeln sie mit den Fingern das Essen in den Mund. Um 13:00 Uhr gehen alle nach Hause.

Da die Kinder ihr Alter selber nicht wissen, können wir es auch nur schätzen. Die meisten sind zwischen drei und zwölf Jahre alt. Die Kleinsten sind noch zu jung, um den Unterricht zu besuchen. Deshalb dürfen sie spielen, während die restlichen Kinder Mathe- und Englischunterricht haben.

Mein letzter Abend & Rückblick auf meine Freiwilligenarbeit

Heute ist mein letzter Abend hier in Ghana. Vier Wochen war ich hier. Die erste zog sich in die Länge, die restlichen vergingen wie im Flug. Ich kann mich noch gut an meine erste Nacht erinnern: Völlig hilflos und überfordert war ich. Doch in der Zeit, in der ich hier war, habe ich so viel gelernt. Ich habe eine völlig neue Kultur kennengelernt. Eine Kultur, in der viel gelacht und getanzt wird. Eine Kultur, in der die Menschen offen und zufrieden sind mit dem, was sie haben. So kann sich der kleine Junge über meine Wasserflasche freuen.

Mir geht nicht mehr aus dem Kopf, was Mama Mina uns immer gelehrt hat: Man soll das Kleine schätzen, um etwas Großes zu erreichen. Denn wer das Kleine nicht schätzt, der hat das Große nicht verdient.

Freiwilligendienst im Straßenkinder Projekt in Ghana, Auszüge des Erfahrungsberichtes von Chantal R.

Portrait Chantal
Autor
Chantal

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